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Gymnastik Bühne

Das Licht geht aus, in der Halle wird es ganz still, alle Augen sind auf die 10 Tänzerinnen gerichtet. In diesem Moment schiessen mir als Turnerin tausend Gedanken durch den Kopf: «Stehe ich richtig? Hoffentlich vergesse ich nichts! Spann dich! Konzentriere dich!» – um hier nur einige davon zu nennen. 

Und gleich darauf folgt die brutale Erkenntnis: «Jetzt ist es sowieso zu spät, noch irgendetwas zu ändern. Wir haben nur diese eine Chance, unser Können unter Beweis zu stellen.» Dies wirkt dann als letzter Kick, als letzter Motivationsschub für den Auftritt, der – piiiep – mit dem Signalton beginnt…

Wie alles begann…

Nun aber von Anfang an. Die Gymnastik Bühne für Aktive wurde im vergangenen Herbst neu ins Leben gerufen. Dies einerseits aus dem Grund, dass wir in der Abteilung Jugend des Turnverein Egerkingen die Gymnastik gezielt fördern. Mit 16 Jahren sind die Jugendlichen dann zu alt für die Gymnastik Jugend, und bis dato existierte keine Möglichkeit im Turnverein Egerkingen, in dieser Sportart weiter aktiv zu sein. Andererseits zeigten schon seit Längerem einzelne ehemalige Gymnastinnen Interesse an einer Gymnastik Bühne für Aktive. Beide Gründe bewegten Karin Bührer, die Leiterin der Gymnastik Jugend, dazu, eine Tanzgruppe für Aktive ins Leben zu rufen.

Rasch konnte eine gut gemischte Gruppe von 10 motivierten Turnerinnen gefunden werden. Seit November 2012 treffen sich nun jeweils am Freitagabend zum einen junge Tänzerinnen aus der Jugendgruppe und «alte» Hasen wie mich zum gemeinsamen Training. Die Turnstunden wurden zu Beginn vor allem dazu genutzt, Brücken zu schlagen zwischen– ganz plakativ gesprochen - den zwei Generationen. Beträgt der Altersunterschied teilweise doch bis zu zehn Jahre. Doch wir profitieren alle von diesem Umstand, dies durften wir ziemlich schnell erfahren. Was ich persönlich von den jungen Mädels in unserer Gruppe lernen konnte im Bezug auf die technische Ausführung von einzelnen Schritten, konnte ich ihnen in Form von Tipps zur Mimik beispielsweise zurückgeben. Doch verbindet uns alle die Leidenschaft zu tanzen, sich zur Musik zu bewegen und durch unsere Choreographien Geschichten zu erzählen.


Leistung ist gefragt

Natürlich sind die Anforderungen unserer ambitionierten Leiterin hoch. Dementsprechend schweisstreibend sind auch die Trainingsstunden. Vor allem am Anfang habe ich mich bereits nach dem Einturnen gefragt, ob und wie ich die nächste Stunde noch überleben werde. Der Tarif wurde uns bereits zu Beginn klar durchgegeben: Ein «Ok» oder «In Ordnung» gibt es nicht und wird es nicht geben – nur Perfektion und ungebrochener Wille sind unter den Argusaugen von Karin geduldet. So wurden auch bereits in der dritten Trainingsstunde die Matten hervor geholt und erste akrobatische Partnerteile geübt. Ich kann Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser, versichern, wir werden gefordert – und genau das wollten wir ja auch. Hierzu ein weiteres Beispiel.


Fahrplan – oder Wettkampfplan

Anfang Dezember war es dann soweit. Nach dem ersten Annähern in der Gruppe, dem erstem gemeinsamen Schweissvergiessen hatten wir es schwarz auf weiss: unseren Plan für die Wettkampfsaison 2013. Wer bis anhin gedacht hat, wir üben uns jetzt mal ein Jahr lang gemütlich ein, hat sich getäuscht. Denn schon Anfang Mai werden wir unseren ersten offiziellen Wettkampf bestreiten.  
Ohne zu übertreiben ist das ein unglaublich wichtiger Wettkampf – haben doch so manche Riegen an diesem Anlass den Grundstein für eine erfolgreiche Saison gelegt. Doch gleich mit Bekanntgabe dieses ersten Wettkampfdatums für unsere junge Gymnastiktruppe ging ein erstes Mal die Hysterie um. Blieben bis zu diesem Datum doch nur noch rund fünf Monate, abzüglich allerlei von Ferien sogar nur noch knapp 3.5. Reichlich wenig Zeit zum Üben für eine so junge Truppe wie wir es sind. Doch unsere Karin blieb gelassen und meinte nur: «Das schaffen wir locker, wir sind gut in der Zeit. Wir müssen einfach dran bleiben.» Und wir haben Ihr geglaubt, die Unruhe hat sich gelegt...

... bis zu dem Zeitpunkt, ungefähr 5 Trainings später, als sie uns verkündet hat, dass wir am Raiffeisenabend der Raiffeisenbank Gäu-Bipperamt in Egerkingen einen «Show-Auftritt» haben werden – am 16. März 2013! Das hat uns buchstäblich aus den «Schläppli» gerissen (die Dinger, die wir an unseren Auftritten an den Füssen haben). Uns war sofort klar, dass wir bis dahin unmöglich die gesamte Choreographie auf die Beine gestellt haben würden. Karin beschwichtigte uns wiederum und meinte, dass wir «einfach zeigen, was wir haben». Klingt logisch – etwas anderes wäre auch nicht denkbar. Und trotzdem, werden die Bewegungen, Abläufe und die Mimik – also einfach alles - bis zu diesem Datum so sitzen, dass wir sie heimischem Publikum vorführen können? Diese Frage geisterte von da an in jeder Turnstunde durch die Halle. Man glaubt es kaum, doch hat uns dies umso mehr angespornt, alles zu geben und noch härter zu trainieren.

Tag der Wahrheit – der Auftritt

Dann war er da – der Samstag im März, an dem wir unser Können ein erstes Mal vor Publikum unter Beweis stellen sollten. Sie können mir glauben, liebe Leserschaft, hätte sich unsere Nervosität und Anspannung in Steinklötzen materialisiert, wir hätten locker eine Fünffach-Turnhalle damit bauen können. Wir hockten also alle wie die Hühner auf der Stange in der Garderobe und gingen unseren Tanz ein letztes Mal im Kopf durch. Dann ging eigentlich alles relativ zügig. Pünktlich auf die vorgegebene Zeit versammelten wir uns in der Turnhalle und warteten auf das Zeichen, dass es losging. Dann stellten wir uns auf der Bühne auf, das Licht erlosch, die Stimmen verstummten – und es ging los.

Rückblickend können wir mit Recht behaupten, dass uns der Auftritt gelungen ist, wir konnten eine gute Aufführung zeigen. Alle Tänzerinnen hatten Spass daran, das in so kurzer Zeit Einstudierte zu präsentieren. Umso schöner war dann auch die Erleichterung nach dem Auftritt, und ebenso der Stolz, eine erste Hürde erfolgreich gemeistert zu haben. Die positiven Rückmeldungen aus dem Publikum haben dies bestätigt und geben uns nun den Ansporn und die Kraft, emsig weiter zu üben.

 

Jasmin Studer